Abschied

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Wenn ein altes Pferd gehen muss….

Über 25 Jahre waren wir ein Paar, als ich Dich mit fast 28 Jahren gehen lassen musste. Mit knapp 3 habe ich Dich gekauft, wollte ich doch eigentlich gar kein rohes Pferd. Und schon gar keine Stute und dann auch noch braun. Aber der kluge Kopf, der mir immer wieder die rosarote Brille absetzte, meinte, dass ist endlich mal ein Pferd, das sein Geld wert ist. OK, eine braune Stute, recht klein, praktisch, damals noch quadratisch und gute Grundgangarten. Und noch wichtiger, in vertrauensvoller Züchterhand aufgewachsen und mit entsprechend klarem Kopf. Das war sie nun, mein zukünftiges Dressurpferd mit dem Namen Waldfee. OK, das lies sich ja wenigstens ändern und hat uns auch kein Unglück gebracht, im Gegenteil.

Sie war mein Seelenpferd, hat alles mitgemacht. Wir haben es bis zur L-Dressur geschafft, sind A-Springen (für mich eindeutig zu hoch) geritten, spaßeshalber Distanzritte, Rittführerpferd bei Vereinsausritten, Schlitten fahren, LTJ-Kurse, Horsemanship. Es gab kaum was, was wir nicht gemacht haben. Aber das würde hier jetzt den Rahmen sprengen. Du warst ein Verlasspferd, durch und durch. Wir haben Dich als OM-Pferd bezeichnet, weil Du Dich auch durch andere nicht beeindrucken liest, sondern auch die spinnigsten Pferde zur Ruhe gebracht hast. In der Herde musstest Du nur mit geringem Aufwand agieren, Deine Aura war es wohl…

Und dann kommt irgendwann die Zeit, wo man sich selbst fragen muss, was ist noch tierfreundlich und wann setzt man ein Ende. Die letzten 2 Jahre bin ich Dich nicht mehr geritten, Du bist zu oft gestolpert und manchmal warst Du sehr „abwesend“, bist erschrocken vor Dingen, die Dir bekannt waren. Manchmal durftest Du als Handpferd im Schritt noch mit, aber eigentlich hast Du das gehasst. Du, Herdenchefin, in solch unwürdiger Position, neben her laufen, pah so was entwürdigendes. Und dann noch neben Deiner eigenen Tochter, die Du doch immer im Griff hattest.

Wir waren wie ein altes Ehepaar, Du hast mich verstanden, egal ob meine Körpersprache oder wenn ich mich mit Dir unterhalten habe. Trotzdem warst Du nie eingesprächiges Pferd, immer distanziert und hast glaube ich das erste mal nach 8 gemeinsamen Jahren mal gebrummelt wenn ich kam.

Du bist mir mal auf Glatteis ausgerutscht und wolltest wieder aufspringen, ich habe Dich nur angeschrien „Liegen bleiben“. Was soll ich sagen, Du hast auf mich gehört, weil Du gespürt hast, ich helfe Dir. Wir sind dann ohne Blessuren aufgestanden, Deine Antwort ein leises Brummeln (das kam eher selten vor).

Du musstest mal wegen einer offenen Wunde am Karpalgelenk vorne stehen. Ich wollte das aber nicht und hab Dich trotzdem auf die Weide gestellt. Beim ersten Ansatz eines Sprints nach dem Abmachen des Strickes habe ich nur klar und deutlich STOP gesagt, „langsam bitte“, ab da bist Du 10 Tage friedlich grasend über die Weide gelaufen. Eine Freundin (Tierärztin) meinte nur, das ist ja unglaublich :-O

So waren wir zwei, Du warst eher so der Typ FASS-MICH-NICHT-AN, Du hast entschieden, wann man mit Dir schmusen durfte. Aber eigentlich hast Du mir blindlings vertraut, sei es noch so furchteinflössend, ich habe Dir irgendwas erzählt, bis Du entschieden hast: Ey Alte hör auf zu reden, ich geh ja schon.

Wenn Du mal nach mir geschnappt hast, ja das Satteln, das war nicht unser Ding, aber was schief gelaufen ist weiß ich nicht, und mich dann dabei am Pullover erwischt hast, hast Du fast einen Salto rückwärts geschlagen. Ich hab Dich immer nur angeschaut und gesagt, „Tja!“, dabei hast Du von mir nie im Leben einen Klaps bekommen wegen Knappen o.ä. Wir haben uns respektiert.

Wir waren eine eingespieltes Ein-Mann-Team, auch auf dem Turnier. Wir Zwei beide haben vieles alleine gemeistert.

Und die Ausritte, egal ob dunkel, Regen, Schnee Du bist marschiert. Man hat sich drauf gesetzt, nach einem stressigen Arbeitstag und wollte nur noch seine Ruhe. Du bist gelaufen und hast mich immer heil  nach Hause gebracht.

Dann kommt die Zeit, wo die Augen müde werden, Dir jeder Schritt schwer fällt. Die Zähne machen auch nicht mehr mit, alles kommt gefühlt so hinten wieder raus, wie es vorne reingeht. Ich habe alles mir mögliche getan, um Dir eine lebenswertes Pferdeleben in Würde zu gestalten. Ich habe noch versucht, Dich longierend über den Hof im Schritt über unterschiedliche Untergründe zu „trainieren“. Die Brust war nur noch halb so breit, von meinem ehemals barocken Pferdchen war kaum noch was übrig. Heute weiß ich, dass Du fast 150kg weniger gewogen hast als noch 2-3 Jahre vorher.

Ich habe mir ein Datum gesetzt, den Saisonwechsel vom Winterstall auf die Sommerweide. Die Weide wäre für Dich ein Unding gewesen und ich wollte es uns beiden ersparen Dich irgendwo aus dem Gestrüpp ziehen zu lassen. Das hatten wir beide nicht verdient. Ein Abgang in Würde musste es sein.

Eine Woche vor dem Termin habe ich jeden Abend im Bett geheult und gesagt ich kann es nicht.

Es war ein sonniger Tag, ich habe Dir noch ein paar Stunden auf dem frischen Gras gegönnt. Aber auch das hast Du mir teilweise wieder vor die Füsse gespuckt. Dann kam die Tierärztin, die ich nicht kannte, die aber einen guten Namen hatte und mehr oder weniger im Nachbarhof beheimatet war. Sie hat mich sehr nett aufgeklärt und auch nicht gefragt, warum, das war Dir einfach anzusehen 🙁 Ich bin mit Dir in ein Heulager gelaufen und Du bist nur hinter mir hergestolpert. Ich drehte mich um und wußte, es ist trotz allem richtig, die Augen waren müde, als würdest Du mir sagen wollen, es ist gut so, lass mich gehen. Deine Tochter durfte mit, um euch durch die Trennung nicht unruhiger zu machen. Sie hat es kaum interessiert, für sie war das schnell abgehakt, sie hat auch später nicht mehr nach Dir gewiehert, sondern sich nur noch auf mich fixiert. Unser Pony wurde dann noch zum Abschied nehmen hingeführt, immerhin habt ihr 10 Jahre zusammen verbracht, sie ist richtig erschrocken und wollte nur noch weg. Dann war alles vorbei, es ist nicht so schlimm gewesen, wie ich es mir vorgestellt habe, Du warst so geschwächt, dass alles ganz schnell ging.

Alle, Familie, Freunde und Reiterkollegen wußten wie schwer mir dieser Schritt gefallen ist. Welche Angst ich schon seit Jahren vor diesem Tag hatte. Eine sehr gute Freundin und Heilpraktikerin sagte mir mal: „DU wirst es spüren, wenn die Zeit gekommen ist.“ Ich bat sie nämlich mir zu sagen, wenn es nicht mehr geht, weil ich Angst hatte „betriebsblind“ zu sein.

Wir haben die Verantwortung für ein Tier übernommen und müssen dann leider auch diesen Schritt gemeinsam gehen und nicht aus Egoismus am Leben festhalten. Dieses Pferd war meine „heilige Kuh“, sie kam immer an erster Stelle, ich habe alles mir mögliche getan um sie in Würde sterben zu lassen.

Jetzt ist es schon fast 9 Monate her und Du bist einfach weg. Ich habe immer gedacht, das überlebe ich nicht, doch überschattet durch den plötzlichen Tods meines Vaters 5 Monate vorher, wurde es leider fast zur Nebensache. Zwei wichtige Teile meines Lebens innerhalb von 14 Monaten. Der Eine Teil mein Leben lang, der Andere etwas mehr als mein halbes Leben, ist schon schwer.

Meine WAKONDA, die jedem Naturgegenstand geistig innewohnende Kraft und das Wunderbare schlecht hin! Das war sie <3

Du fehlst mir!

3 Kommentare

  1. 🙁 Das ist wirklich sehr traurig! Ich kann nur ahnen, wie schwer das nach so langer Zeit gewesen sein muss, vor allem auch in Kombination mit dem familiären Verlust. Da hast du ja ganz schön was durchgemacht. Was bleibt, ist die Erinnerung an diese lange gemeinsame Zeit, auch wenn das natürlich im Vergleich ein ziemlich schwacher Trost ist. Fühl dich gedrückt, unbekannterweise!

    Alles Gute!
    Tina

    • Liebe Tina,
      vielen Dank für Deine tröstenden Worte. Oh ja es ist schwer, aber immerhin haben wir es auf über 25 Jahre Gemeinsamkeit gebracht. Das erleben ja auch nicht viele. Wir haben soviel miteinander und voneinander gelernt. Und immerhin war sie lange ziemlich gesund und fit.
      Liebe Grüße
      Tina

  2. Wunderschön. ❤

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