Perfektionismus – Fluch oder Segen?

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Oder einfach mit Wissen gewissenhaft umgehen. Braucht man manchmal einfach mehr Mut zur Lücke?

Ich bin ein Mensch der immer alles richtig machen will. Stehe ich mir deshalb selbst im Weg?

Durch das Internet und vor allem die sozialen Medien, wird man mit Informationen nur so bombardiert. Jeder konsumiert diese Informationen, teilweise leider ohne nachzudenken. Egal ob richtig oder falsch, das steht im Internet, also ist das so.

Und ich frage mich dann immer öfter, was mache ich da eigentlich? Warum dauern einige Dinge so lange? Meine Antwort: „Ich will es richtig machen! Bei mir gibt es keine halben Sachen!“.

Da kann man sich an einem Wochenende zum pferdegestützten Coach ausbilden lassen, aber nein, ich mache eine 2-jährige Weiterbildung zum „Coach für Perspektivenentwicklung“ mit dem Ziel pferdegestützt zu coachen.

Wissen ist Erfahrung, alles andere ist Information (Albert Einstein)

Ich habe trotz meiner langjährigen Erfahrungen in einer Marketingabteilung eines mittelständischen Unternehmens,  eine 4-monatige Weiterbildung zum Thema Online-Marketing absolviert, um zu wissen, was man darf und was man nicht darf. Etwas über Bildrechte und Urheberrechte gelernt, dass man fremde Bilder nicht einfach verwenden darf oder auch wenn man einen Gastbeitrag schreibt, dieser nicht einfach später vom Gastgeber geändert werden darf. Aber wen interessiert das schon? Wenn man nicht zufällig mal über Screenshots stolpert die von der eigenen Webseite stammen oder darauf hingewiesen wird, kriegt man es oft gar nicht mit. Mal höflich anfragen? Gleich abmahnen? Zuviel Energie, der Perfektionist ärgert sich über seine Ehrlichkeit. Aber wie heißt es, Ehrlichkeit währt am längsten. Irgendwann!

Ich bin seit 1999 in Sachen Internet unterwegs, habe schon einiges an Internet-Auftritten umgesetzt und administriert. Ein Intranet für über 5000 Mitarbeiter alleine programmiert. Ja, das waren noch Zeiten, da musste man noch selbst programmieren und konnte nicht einfach mit einem Paket einen Shop aus dem Hut zaubern. Ich habe im Bereich Digitale Medien als diplomierte Informatikerin meine Erfüllung gefunden, ist ein bisschen wie Stricken. Austüfteln und was Kreatives umsetzen. Ich habe Ahnung davon, was ich mache. Auch wenn ich heute ebenfalls nur noch (fast)-fertige Module einsetze. Aber ich habe mir Wissen und Erfahrung angeeignet, ich weiß was ich tue.

Mein Job im Marketing als kreativer ITler hat mir irgendwann nicht mehr gereicht, also musste mal was Neues her. Am liebsten etwas mit Pferden und der zweiten Leidenschaft für Textilien. So entstand 2010 procavallo, und das auch erst nach unzähligen Gesprächen, Beratungen und Recherchen. Es folgte die Gründung einer GmbH, die Anmeldung der Marke procavallo und noch viel mehr. Wieder möglichst alles richtig machen.

Informationen sind käuflich, Wissen und Erfahrung unbezahlbar

Ich kann mit unseren Lieferanten reden, weil ich Wissen von der Materie habe. Wir können gemeinsam planen und tüfteln. Ich werde ernst genommen. Ich kann Nähen und Reiten. Ich weiß was es heißt, mit einem Knotenhalfter umzugehen und mit Gebiss zu reiten. Ich weiß, wie sich was anfühlt. Ich habe mir das Wissen durch eigene Erfahrung angeeignet. Ich weiß von was ich rede und wenn ich etwas nicht weiß, erzähle ich in einer Beratung auch nicht einfach irgendwas. Für mich ist das wichtig! Ich muss authentisch bleiben. Unsere Kunden wissen das zu schätzen.

Aber stehe ich mir mit meinem Perfektionismus nicht selbst im Weg? Andere gehen her und machen einfach. Die denken nicht soviel darüber nach, sondern coachen Menschen nach 2-Tageskursen, eröffnen Shops ohne rechtlichen Beistand, klauen Bilder weil es einfach ist und unterrichten, weil sie schon 5 Jahre reiten.

Man kann sich heute so viel Informationen durch das Internet und schier unzählige Bücher aneignen, aber ich bin immer noch der Meinung, dass man Erfahrungswissen eben nicht recherchieren kann.

Beispiel: Ich habe eine Menge Erfahrungen mit alternativen Heilmethoden in bestimmten Fällen, weil ich eine sehr kompetente Tierheilpraktikerin habe, aber ich würde nie etwas zu diesem Thema schreiben. Auch in Sachen EM (effektive Mikroorganismen) bin ich sehr vorsichtig. Ich bin weder Biologe noch Chemiker. Als überzeugter Anwender kann ich Vorträge über EM halten, mehr nicht! Warum sie wirken? Das kann ich nur durch das bisher Gelesene und Angewendete wiedergeben, aber die „Wirkungsweise der EM“ kann ich nicht beweisen.

Gewissenhaft mit Wissen umgehen

Es ist bestimmt nicht nur im Pferdebereich so, aber da fällt es mir eben am meisten auf. Es ist meine Leidenschaft und so auch ein Stück weit mein Fachgebiet. Eben fast 40 Jahre Pferdeerfahrung und das durch erlebte Praxis.

Informationen kann man recherchieren, aber Erfahrung kommt von erfahren. Man muss es mit allen Sinnen erlebt haben. Nur durch das bewußte Erleben von Informationen entsteht Wissen.

Wie seht ihr das? Wie geht ihr mit Wissen um?

4 Kommentare

  1. Liebe Tina,
    ein schöner und ehrlicher Beitrag und ich bin da voll auf deiner Seite: Erfahrung kommt von erfahren. Wenn jemand einen Coach sucht, der nur zwei Tage Ausbildung hinter sich hat, dann wird er am Ende sicherlich nicht glücklich werden, schließlich kann das, was er als Kunde erfährt, niemals die Tiefe und die Qualität besitzen, die jemand bietet, der eine langjährige Ausbildung genossen und die Dinge von Grund auf gelernt und verstanden hat.
    Als ausgebildete Journalistin bin ich aber der Meinung, dass nicht nur derjenige, der eine fachliche Ausbildung in einem bestimmten Bereich genossen hat, das Recht hat, Wissen weiterzugeben. Ich finde es beispielsweise nicht richtig, dass viele Magazine im Pferdebereich kaum noch Journalisten schreiben lassen, sondern stattdessen auf Trainer und Experten mit bekannten Namen zurückgreifen. Diese mögen zwar ihr Wissen und ihre Erfahrung teilen, sie sind aber niemals objektiv. Leider verkauft sich ein Magazin mit großen Namen aber besser und dem Leser fällt die mangelnde Objektivität kaum auf oder sie stört ihn (leider) nicht. Im Pferdebereich mag das vielleicht noch ok sein (auch wenn es den Journalistenberuf kaputt macht). Was wäre aber, wenn alle Nachrichten nur noch subjektiv und von den vermeintlichen Experten verfasst wären? Wenn Politiker Artikel schreiben, weil sie mehr vom Fach sind als ein Journalist? Nur weil jemand beispielsweise gut mit Pferden umgehen kann, ist er meiner Meinung nach nicht automatisch prädestiniert dafür, einen Text zu verfassen. Ihm fehlt schlicht die journalistische Ausbildung – und die dauert nicht ohne Grund zwei Jahre und setzt in der Regel ein Studium voraus.
    Es ist ein schwieriges Thema, das du da ansprichst, und ich denke, dass es auch keine klare Antwort geben kann. Aber eins steht für mich fest: Egal ob Trainer, Journalist, Blogger oder „Laie“: Derjenige, der Wissen teilt, muss sich immer seiner Verantwortung bewusst sein, die er gegenüber seinen Lesern oder Kunden hat. 🙂
    Viele Grüße
    Karo

    • Liebe Karo,

      vielen Dank für Deine ausführliche Antwort! Ich stimme Dir auch voll und ganz zu. Aber ich denke auch ein Journalist wird sich nicht als Experte für etwas ausgeben, was er mal recherchiert hat. Zwischen Wissen und Informationen liegt nämlich ein Unterschied. Und ich stimme Dir zu, dass es oft sinnvoller wäre Journalisten ans Werk zu lassen, die objektive Informationen recherchieren und nicht irgendwelche Experten zu Wort bitten.
      Schuster bleib bei Deine Leisten! 😉

      Viele Grüße
      Tina

  2. Dem gibt es nichts hinzu zu fügen – Amen.
    Absolut treffende Worte eines Menschen der seine Ehre, aber auch die Demut und vor allem sein Verantwortungsbewusstsein wahrt.

    Liebe Grüße aus Österreich!
    Dani

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